Hi zusammen
Mir fällt es nicht gerade leicht, über dieses Thema zu sprechen, aber da ich sonst niemanden habe, mit dem ich dieses Thema "frei" ansprechen kann und auch verstanden werde - im Bekanntenkreis ist mehrheitlich die Reaktion, dass ich mich nicht so anstellen soll - versuche ich es mal hier.
Ende April/Anfang Mai hatte ich bei einer Ausfahrt einen Unfall, als ich im Kreisverkehr geschnitten wurde. Der Kreisel ist einspurig geführt aber die Mittelinsel so schmall ausgelegt, als dass man von der einen Strasse kommend praktisch gerade aus durchblochen kann. Gemäss Luftbildern war da vor einigen Jahren auch kein Kreisel, sondern nur eine Abzweigung. Die Strasse die da gerade durch ging, heisst auch nach wie vor gleich.
Jedenfalls war ich im Kreisverkehr und bin eine Ehrenrunde gedreht, da ich nicht wusste, ob ich die Strasse mit gleichem Namen nun hoch oder runter fahren müsse. Ich war gerade im Begriff, nun die richtige Ausfahrt zu nehmen und war an und für sich schon im Bogen des Ausfahren, als ich im peripheren Sichtfeld im letzten Moment sah, wie sich ein Auto mit Karacho dem Kreisel nähert, voller Kollisionskurs zu mir. Auch schon das quitschen eines anderen Autos (die Frau die hinter mir im Kreisel fuhr, machte eine Gefahrenbremsung, da der andere wohl einfach drauf hielt) gehört, also nun voll nach rechts eingeschlagen und frei gemacht. Seh das Auto vorbei schiessen, berühr den Bordstein und ab dann geht alles schief, verlier mit der Linken Hand den Halt, Kupplung spickt rein, lehne gegen; Töff ligt auf der Seite, Gabel kaputt, Schulter gebrochen.
Fahrer flüchtig und die Frau konnte leider auch keine Aussage zum Nummernschild machen. Obschon schon alleine ihre Bremsspuren eine deutliche Sprache sprachen, meinte der eine Polizist nur spöttisch, dass ich mich halt hätte anfahren lassen sollen, aber so sei das ein Alleinunfall, mit sowas müsse man rechnen und reagieren können.
Das Bundesgericht sieht das zwar anders, da gibt es entsprechende Entscheide dazu, aber weiss das mal an einer Unfallstelle; wo du eigentlich ins Spital müsstest, der Polizist aber darauf beharrt, dass du erst ins Spital darfst, wenn der Abschlepper da gewesen sei... Eine Verkehrsrechtsschutzversicherung oder so hab ich nicht und die Rechtsabteilung der Versicherung (so ne Schulter operiert sich ja auch nicht gratis) meinte lediglich, dass sie schon deutlich teurere Fälle auf dem Tisch gehabt hätten und das aussichtslos sei.
Nun die Schulter ist operiert, eine Titanplatte und gegen ein Dutzend Schrauben hält die Kugelhäften und den Oberarm zusammen. Die Narbe ist verwachsen und die Beweglichkeit kommt langsam - es ist ein Kampf, jeden Tag Physio-Übungen machen, jeden Tag immer etwas über die Schmerzgrenze gehen, immer nur ein My, aber anders kommt sie nicht zurück.
Mein Motorrad und der restliche Schaden der mir entstanden (Franchise, Selbstbehalt, Job, Schutzkleidung, Helm etc.) ist, habe ich ja mittlerweile abgeschrieben. Das da eine hässliche Narbe sein wird und ich in einem Jahr wieder in den OP muss, damit habe ich mich abgefunden.
Aber ich stelle je länger je mehr fest, dass da noch eine Wunde klafft. Man sieht sie nur nicht, und darum wird sie nicht versorgt.
Ich freue mich einerseits sehr, wenn ich wieder fahren darf (im Moment ist es mir ja eigentlich vom Arzt untersagt, da noch keine Kraft auf die Schulter geben darf). Wenn man nur laufen darf, verliert man ja doch so viel Freiheit, das ist einem im ersten Moment gar nicht bewusst. Für Strecken die zuvor in 5 Minuten oder zumindest mit dem Velo in 15 Minuten gemacht wurden, muss ich nun auf den ÖV zurück greifen und bin über 60 Minuten unterwegs. Ich warte also eigentlich schon sehnsüchtig darauf, wieder fahren zu dürfen.
Und doch, ich hab Angst. Angst vor dem fahren, dem teilnehmen am Strassenverkehr und Angst davor, aufgrund dieser Angst dann Fahrfehler zu machen.
Wenn ich mit anderen im Auto unterwegs bin, kann ich nicht mehr einfach "Beifahrer" sein. Ich scan die ganze Zeit die Umgebung ab, alle Weil Blick nach hinten, ob da jemand angeschossen kommt... Bei einer Tour bin ich Sozi mitgefahren, nach wenigen Kilometern bin ich schweissgebadet an der Bushaltestelle gestanden und mit dem Bus retour. Ich hatte nichts Angst, dass mein Kollege einen Unfall baut, sondern dass und gleich einer abräumt und dass wir dann die gleiche Tortur mit der verwehrten Spitaleinlieferung durchleben. Und selbst zuhause, auf dem eigenen Hof, krieg ich mein eigenes (mittlerweile ersetztes) Motorrad nicht mal sauber gekuppelt, weil ich unbewusst die Kupplung klammer.
Ich weiss ehrlich gesagt nicht, was ich da machen soll, wie ich diese Ängste wieder los werden kann.
Ich hatte gedacht/gehofft, das legt sich irgendwann, aber aktuell hab ich nicht den Eindruck. Und dass ich mit niemandem darüber sprechen kann, respektive den anderen als "Ballast" anfalle, macht es mir nicht leichter, respektive hat nun auch für etwas Spannung gesorgt.
Meinen Hausarzt habe ich schon darauf angesprochen, mit der Bitte, ob er mich denn nicht zu einem Psychologen überweisen könne. Da bin ich aber etwas aufgelaufen, insofern, als dass er meinte, dass die alle im Moment sowieso überlastet seien und mein Anliegen ja nichts bedrohliches sei, ich also mit über einem Jahr Wartezeit rechnen müsse.
Und nun weiss ich halt irgendwie auch nimmer weiter.
War von euch schon einmal jemand in einer solchen Situation und kann mir vielleicht Tipps geben, wie ich das Ganze überwinden kann? - Gerne auch per PN.