Geblitzt "innerorts" in Deutschland

  • Sali Leute

    Habe ein kleines (grosses) Problem
    Hat jetzt nichts mit dem Motorrad zu tun, kann aber auch mit dem Motorrad passieren..

    War am Wochenende in Deutschland in der Nacht auf der Autobahn, da man das Auto ja nicht in der Schweiz ausfahren kann. War auch ein tolles Erlebnis im unbegrenzten Bereich mit 230 unterwegs zu sein. Irgendwann hatte ich genug und drehte um. Habe mich natürlich an allfällige Tempobegrenzungen gehalten. Jedoch habe ich meine Ausfahrt auf dem Rückweg verfehlt und nahm dann die nächste nach ca 15 Kilometern. Eigentlich wollte ich umdrehen, aber da dort ein Schild in Richtung der Stadt war, wo ich hinmusste folgte ich dem Strassenschild. Ich befand mich auf unbekanntem Terrain auf der deutschen Landstrasse (100er Zone) und hatte ca Tacho 106 drauf. Irgendwann tauchte ein Hauptstrassenschild auf und dahinter begann eine kleine Siedlung. Ich fand es schon merkwürdig, dass hier kein 50 oder 60er Schild war und ging kurz vor den Häusern vom Gas (war leicht abschüssiges Gelände dort). Und da blitzte es mich rot. Ein Blick auf den Tacho zeigte mir knapp 100kmh....

    Leider war ich nicht schlau genug umzudrehen und das Temposchild zu suchen, weil ich mir eigentlich zu 90% sicher bin, dass da ausser dieses Hauptstrassenschild kein Tempobegrenzungsschild war. War wohl doch ein wenig geschockt. Wenn dies tatsächlich der Fall wäre, wäre das ganze immer anfechtbar?
    Ich gehe jetzt mal vom schlimmsten Fall aus, heisst eine Tempoüberschreitung von 40 bis 50 kmh. Was droht mir jetzt für eine Strafe? Bin in der Schweiz noch in der Probezeit, wird das Auswirkungen darauf haben? :thinking_face:

  • Das "Temposchild" ist StVO-Zeichen 310 und sieht in etwa so aus.
    [Blockierte Grafik: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…VO_1992.svg.png]

    Oder anders ausgderückt mit Beginn der "Geschlossenen Ortschaft" gilt auch 50 km/h. https://de.wikipedia.org/wiki/Geschlossene_Ortschaft . Die Deutsche StVO findet man hier https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/

    Busse und Regelfahrverbot (in Deutschland) reichtet sich nach BKatV https://www.gesetze-im-internet.de/bkatv_2013/BJNR049800013.html Lfd-Nr. 11.3 und Tabelle 1 Buchstabe c. Für den möglichen Geschschwindigkeitsbereich und Innerorts gilt:

    Überschreitung in km/h Bussgeld (Regelsatz) in Euro Fahrverbot Flensburger Bonuspunkte
    31 – 40 160 1 Monat 2
    41 – 50 200 1 Monat 2
    51 – 60 280 2 Monat 2


    Siehe auch https://www.kba.de/DE/Fahreignung….html?nn=646312
    Der Regelsatz gilt nur wenn keine Gefährdung oder sonstige strafverschärfende Umstände vorliegen (Vorsatz, Rennen, schneebedekte Fahrbahn etc.). Bei Sichtweite unter 50 m durch Nebel, Schneefall oder Regen gilt die strengere Tabelle 1 Buchstaben b.

    Achtung: Das Deutsche Strafrecht kennt mit § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__315d.html das „Rennen gegen sich selbst“. D.h. wer "sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig undrücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen" kann mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.


    Soweit so gut für die Lage in Deutschland. In der Schweiz kann, falls das Strassenverkehrsamt kentniss vom Fahrverbot in Deutschland bekommt, Art. 16c_bis SVG https://www.admin.ch/opc/de/classif…dex.html#a16bis relevant werden:

    Zitat

    Führerausweisentzug nach einer Widerhandlung im Ausland

    1 Nach einer Widerhandlung im Ausland wird der Lernfahr- oder der Führerausweis entzogen, wenn:
    a. im Ausland ein Fahrverbot verfügt wurde; und
    b. die Widerhandlung nach den Artikeln 16b und 16c als mittelschwer oder schwer zu qualifizieren ist.

    2 Bei der Festlegung der Entzugsdauer sind die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbotes auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Die Mindestentzugsdauer darf unterschritten werden. Die Entzugsdauer darf bei Personen, zu denen im Informationssystem Verkehrszulassung keine Daten zu Administrativmassnahmen (Art. 89c Bst. d) enthalten sind, die am Begehungsort im Ausland verfügte Dauer des Fahrverbots nicht überschreiten


    Da Du nach eigenen Angaben in der Probezeit bist, erfolgt, falls es zu einem Entzug kommt, eine Verlängerung der Probezeit um 1 Jahr. Sieh dazu Art. 15a Abs. 3 und 4 SVG https://www.admin.ch/opc/de/classif…index.html#a15a

    Zitat

    Führerausweis auf Probe
    [...]
    3 Wird dem Inhaber der Ausweis auf Probe wegen einer Widerhandlung entzogen, so wird die Probezeit um ein Jahr verlängert. Dauert der Entzug über die Probezeit hinaus, so beginnt die Verlängerung mit der Rückgabe des Führerausweises.

    4 Der Führerausweis auf Probe verfällt mit der zweiten Widerhandlung, die zum Entzug des Ausweises führt.

    PS: Ich bin ein DUMMSCHWÄTZER !!!

    3 Mal editiert, zuletzt von RebelFazer (20. Januar 2020 15:12)

  • In Deutschland (wie auch Frankreich und Italien nach meinem Wissen) beginnt mit dem Ortseingangsschild (rechteckige Tafel mit dem Namen des Ortes) die generell 50-er Zone, wie @Langtourer schon vermerkte. Da gibt es keine Schilder mit 50 drauf wie in der Schweiz.

    Wenn Du, wie ich anhand Deiner Schilderung vermute, innerorts warst, dann gehe ich von ca 45kmh zu viel aus. Das kann für Dich schon zu einer Verlängerung der Probezeit und auch einem Ausweisentzug für mind. 1 Monat führen. Die deutschen Behörden werden in der CH eine Anfrage wegen des Kontrollschildes starten, danach wird Dir die Busse eröffnet, möglicherweise über die Polizei. Sobald das Strassenverkehrsamt davon hört, leitet es eine administrative Untersuchung ein, die dann zu den genannten Massnahmen führen kann. Wenn Du aber Glück hast, geht das ganze neben dem STVA durch, dann hat es keine Auswirkungen.

    Kannst Du auf der KArte und ev. StreetView nachvollziehen ob Du wirklich innerorts warst?

    Sehe gerade, @RebelFazer war schneller und ausführlicher :grinning_squinting_face:

  • Danke für die schnellen und ausführlichen Antworten

    Weiss zwar nicht, was für dich ein Hauptstrassenschild ist, sofern es ein Ortsschild (so eine rechteckige Tafel mit dem Namen der nächsten Ortschaft) war, ist dies eben - zumindest in Deutschland - der Beginn der generell 50iger Beschränkung.

    Das Schild welches ich gesehen habe

    Habe ich eben nicht gesehen, höchstwahrscheinlich war dort eins und ich habe es einfach nicht gesehen...

    Wenn Du, wie ich anhand Deiner Schilderung vermute, innerorts warst, dann gehe ich von ca 45kmh zu viel aus. Das kann für Dich schon zu einer Verlängerung der Probezeit und auch einem Ausweisentzug für mind. 1 Monat führen. Die deutschen Behörden werden in der CH eine Anfrage wegen des Kontrollschildes starten, danach wird Dir die Busse eröffnet, möglicherweise über die Polizei. Sobald das Strassenverkehrsamt davon hört, leitet es eine administrative Untersuchung ein, die dann zu den genannten Massnahmen führen kann. Wenn Du aber Glück hast, geht das ganze neben dem STVA durch, dann hat es keine Auswirkungen.

    Kannst Du auf der KArte und ev. StreetView nachvollziehen ob Du wirklich innerorts warst?

    Habe schon versucht per Streetview die Strasse abzusuchen, jedoch gibt es in diesem Kaff kein Streetview (Der Ort heisst Espasingen)

    Der Ausweisentzug in Deutschland wäre für mich verkraftbar, da ich generell sowieso nur als Tourist dort unterwegs bin. Die Geldstrafe schlussendlich auch, kostet ja zum Glück nicht so viel wie hierzulande. Ich hoffe es kommt einfach zu keinem Ausweisentzug in der CH und zu der Probezeitverlängerung....

    Kann ich das irgendwie beeinflussen? Die Strafe werde ich höchstwahrscheinlich sowieso mal per Post erhalten, kann ich mich deswegen direkt bei den Deutschen melden und gestehen, dass ich geblitzt wurde und ob ich das ganze irgendwie direkt abwickeln kann (Bezahlung usw)? Also eben ohne die Eidgenössischen Behörden auch noch ins Boot zu nehmen?

    Und vielen Dank @RebelFazer für die detaillierte Antwort

  • Nachts sieht man sie eher weniger, sind nicht als Leuchttürme getarnt und verschwinden in der Dunkelheit :winking_face: bis sie dann blitzen :pouting_face: eigentlich fies :lol:

    Ich habe keine Macken...
    das sind Special Effects.

  • Offensichtlich gab es ja doch ein Ortsschild dort, war wohl abgelenkt und da ist es passiert...

    Hier stand der Blitzer, im Gebüsch hinter dem Schild

    Dieses Modell war es

    Haben Ihn wohl extra im Gebüsch platziert, der war im Dunkeln nicht zu erkennen :astonished_face:

    soviel ich weiss ist da eh 70 und nicht 100 :confused_face:

    Bin die Strasse jetzt rückwärts mit Streetview abgefahren und da war definitiv 100, bevor ich in die Ortschaft rein gefahren bin.

    Beweis

    Zurück zu meinem Hauptanliegen, lohnt es sich, wenn ich mich direkt bei den Deutschen melde um eine allfällige Busse zu bezahlen, ohne dass die mich zuerst über die Schweizer Behörden suchen müssen? Würde mir einiges an Ärger einsparen.

  • Du kannst Glück haben, wenn Du Dich direkt meldest. Zu beachten ist aber, dass gemäss den von @RebelFazer oben genannten deutschen Bestimmungen Du in D ein Fahrverbot von einem Monat erhälst. Gestützt auf das Europäische Übereinkommen über die internationalen Wirkungen des Entzuges des Führerausweises für Motorfahrzeuge, hier Art. 2 (siehe https://www.admin.ch/opc/de/classif…0/index.html#a2), sollte die deutsche Behörde die Schweizer Behörde über den angeordneten Entzug orientieren.
    Manchmal unterbleibt die Meldung resp. wird bei einem ausländischen Lenker eben kein Entzug (kein Fahrverbot) angeordnet in D, dann hast Du Glück.

    Habe gerade gesehen, Deutschland hat das nicht unterzeichnet. Habe aber im Hinterkopf, dass da zwischen Deutschland und der Schweiz ein ähnliches Abkommen besteht.

    Einmal editiert, zuletzt von Lüku (21. Januar 2020 10:59)

  • Ergänzung, es gibt ein Übereinkommen über den Strassenverkehr, bei dem Deutschland auch Vertragspartei ist. In Art. 42, Abs. 1 lit. b (https://www.admin.ch/opc/de/classif…/index.html#a42) wird dann festgehalten "In diesem Fall kann die zuständige Behörde der Vertragspartei oder ihres Teilgebiets, die das Recht auf Verwendung des Führerscheins aberkannt hat, die Behörde, die den Führerschein ausgestellt hat oder in deren Namen er ausgestellt wurde, von der Aberkennung benachrichtigen"


    Es liegt also im Ermessen der deutschen Behörde, ob sie das an die Schweiz meldet oder nicht.

  • Füsse stillhalten und abwarten. Bibbern was da kommt, soll dir eine Lehre sein.


    Und jetzt noch was moralinsaures.....
    Wenn man schon das Bedürfnis nach "voll ausfahren" hat, dann sollte man sich auch mal nach den Gesetzen des jeweiligen Landes erkundigen. Ist ja nicht so, dass es überall wie in der Schweiz ist. Daher hält sich mein Mitleid in arg kleinen Grenzen.

    Hat die Blume einen Knick, dann war der Schmetterling wohl zu dick.

  • Es gibt noch den Schweizerisch-deutscher Polizeivertrag https://www.admin.ch/opc/de/classif…5927/index.html
    Wobei betreffend Strassenverkehr noch nicht alle Artikel in Kraft sind.
    hier die Version mit allen Artikel https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/sta…s0946.pdf%27%5D falls man wissen will was in Zukunft blühen könnte.

    Der Staatsvertrag betrifft aber nur Halterermittlung (in Kraft) und Rechtshilfe bei der Vollstreckung von Bussen und anderen Strafsanktionen (noch nicht in Kraft). Administrativmassnahmen (Fahrverbot/Ausweisentzug) werden in diesem Abkommen nicht behandelt.

    Da es aber mit dem von Lüku genannten und verlinketen Art. 42 des Wiener Übereinkommen über den Strassenverkehr ein Rechtsgrundlage gibt, ist dies aber gar nicht nötig. Ausser man wollte aus dem "kann" ein "muss" machen).

    PS: Ich bin ein DUMMSCHWÄTZER !!!

    Einmal editiert, zuletzt von RebelFazer (21. Januar 2020 14:51) aus folgendem Grund: Link zum Bundesgesetzblatt geflickt.

  • Danke für die ausführlichen Beiträge, ihr habt mir gut weitergeholfen. Ich meld mich wieder, sobald es etwas neues gibt.

    Füsse stillhalten und abwarten. Bibbern was da kommt, soll dir eine Lehre sein.


    Und jetzt noch was moralinsaures.....
    Wenn man schon das Bedürfnis nach "voll ausfahren" hat, dann sollte man sich auch mal nach den Gesetzen des jeweiligen Landes erkundigen. Ist ja nicht so, dass es überall wie in der Schweiz ist. Daher hält sich mein Mitleid in arg kleinen Grenzen.

    Mitleid habe ich auch gar nicht gesucht, wollte nur wissen ob wer im Forum weiss wie die aktuelle Gesetzeslage im Bezug auf grobe Tempoüberschreitungen in Deutschland aussieht und was die Folgen für uns Schweizer sind.

    Wie gesagt ich habe das Ortsschild übersehen, wie auch immer, nicht einmal mit voller Absicht würde ich mit 100 innerorts unterwegs sein. Auch nicht mit dem Motorrad.

    Und zuletzt noch: Werde definitiv nicht der letzte sein, den es erwischt hat, anderen wird dieser Thread sicherlich auch recht nützlich sein.