Hartes vs. weiches Fahrwerk

  • Hey Leute


    Da ich noch ein komplettes Greenhorn bin bei der ganzen Thematik, habe ich vor kurzem in einem Testbericht von einem weichen Fahrwerk gelesen. :grinning_squinting_face: Da ich meine Honda etwas tieferlegenlassen musste (meiner Körpergrösse sei an dieser Stelle mal gedankt 8| ), sei sie nun auch etwas weicher zu fahren.


    Was heisst das denn eigentlich? Beziehungsweise welche Auswirkungen hat das auf den Töff? Welche Vorteile bringt ein hartes Fahrwerk? :confused_face:


    (Irgendwie konnte ich die Rubrik Anfänger- und anderweitige komische Fragen nicht finden, wär lieb wenn was dabei raus kommt :smiling_face_with_halo: )

    Riding - the rawest and purest of emotions

  • Da hast du dir aber ein komplexes Thema ausgesucht :winking_face:
    Beim Fahrwerk gibts tausend Dinge zu berücksichtigen, und viele Experten haben viele Meinungen :winking_face:


    Erklären kann man nur, welches Element was bewirkt, sowie ein paar Faustregeln. Was besser ist, das hängt sehr von der Maschine, der Strecke, vom Fahrstil und von der persönlichen Vorliebe ab.


    Da ich meine Honda etwas tieferlegenlassen musste, sei sie nun auch etwas weicher zu fahren.


    Wer hat dir das erzählt? Mit Tieferlegungen kenn ich mich zwar nicht aus, aber auf die Feder und die Dämpfer sollte eine Tieferlegung keinen Einfluss haben. Was sich dabei ändert ist natürlich der Schwerpunkt und folglich das Fahrverhalten. Wenn man nur hinten oder nur vorne die Höhe verändert, merkt man einen stärkeren Unterschied als wenn man vorne und hinten um etwa gleich viel absenkt/anhebt.


    Was heisst nun hart oder weich?
    Es gibt hauptsächlich zwei Komponenten, die "hart" oder "weich" sein können.


    Zum einen die Feder selbst: hart bedeutet, dass sie unter gleicher Last/Fahrergewicht weniger weit einfedert als eine weiche Feder. Die Federhärte (Federrate) sollte zum Fahrergewicht passen, original ist immer auf ein Fahrergewicht von 75-80kg ausgelegt. Ist aber nicht wirklich tragisch, wenn man dann 85kg oder wie ich nur 60kg wiegt. Wobei eine zu harte Feder typischerweise eher weniger problematisch ist als eine zu weiche. Eine gewisse Einstellmöglichkeit bietet die Federvorspannung, die man fast bei allen Modellen einstellen kann. Mehr Vorspannung bedeutet eine kleinere Einfederung bei gleicher Belastung/Gewicht. Die Feder selber wird dadurch jedoch verwirrenderweise nicht härter, es fühlt sich nur härter an. An der Gabel gibt es einen Trick, wie du erkennen kannst, ob deine Federrate bzw. deine Vorspannung passt: Mach einen Kabelbinder um das Gabelrohr, etwa in die Mitte des möglichen Federwegs. Danach machst du ein paar kontrollierte Vollbremsungen. Der Kabelbinder sollte nun bis ca. 1.5cm vom Anschlag weg verschoben worden sein. Diese 1.5cm würden während der Vollbremsung auch eine Unebenheit erlauben. Hast du deutlich mehr als 1.5cm, ist es zu hart, ist es deutlich weniger, ist sie zu weich.


    Zum anderen gibts die Dämpferelemente. Diese regulieren die Geschwindigkeit, mit der die Feder einfedern (Druckstufe) und ausfedern (Zugstufe) kann, und dies in beide Richtungen unabhängig. Hart bedeutet hier jeweils eine hohe Zug-/Druckstufe und somit eine hohe Dämpfungskraft, also eine niedrige Ein-/Ausfedergeschwindigkeit. Sofern man die Dämpfer einstellen kann (geht leider fast nur bei sehr sportlichen/teuren Modellen), sollte man dies so tun, dass das Motorrad Unebenheiten sauber "bügelt", das heisst die Feder federt zunächst etwas aus, dann ein, und sollte dann sofort wieder auf das ursprüngliche Niveau zurückgehen ohne nachzuschwingen. Schwingt es nach, ist die (Zugstufen-)Dämfung zu schwach/zu weich. Bei ausgeprägten Wechselkurven zeigt sich das jeweils am besten. Wenn das Motorrad auch bei mehrfahrem Umlegen stabil bleibt und nicht zu schwingen/"pumpen" beginnt, ist alles in Ordnung.


    Beim Fahren würde ich es so erklären:
    Ein weiches Fahrwerk fühlt sich bei gemütlicher Fahrt angenehm an, man schwebt über Unebenheiten hinweg. Ein hartes Fahrwerk gibt mehr Rückmeldung, was unter den Rädern passiert, fühlt sich erstmal unkomfortabler an. Die einen mögen das, andere nicht. Ein weiches Fahrwerk verleitet eher dazu, sportlicher zu fahren als man eigentlich sollte, man spürt ja nicht so viel... siehe die ganzen Plumpsenduros (weiches Fahrwerk),
    die durchaus so schnell nen Pass hochjagen können wie ein Supersportler (hartes Fahrwerk), nur dass letzterer dabei noch viel mehr Reserven hat, während die Enduro vielleicht irgendwann unbemerkt das Limit überschreiten und stürzen wird.
    Ein richtig gutes Fahrwerk zeigt seine Stärken also erst im Grenzbereich. Ergo nicht in den Situationen, die wir auf der Strasse typischerweise erleben, darum funktionieren hier auch Einstellungen in einem sehr weiten Bereich ausreichend gut.


    Ach ja: ich gehe davon aus, dass deine Maschine ein vergleichsweise sehr weiches Fahrwerk hat :winking_face:

    Einer ist immer schneller - zum Beispiel ich :winking_face:
    Quod gratis asseritur, gratis negatur

    4 Mal editiert, zuletzt von Boo ()

  • Hallo ihr beiden


    Danke für die ausführlichen Antworten! :winking_face: was lernen kann man dabei ja wirklich


    Da hast du dir aber ein komplexes Thema ausgesucht :winking_face:

    Das habe ich gerade bemerkt :grinning_squinting_face: Aber scheint mir wirklich interessant... zumindest dass ich grob davon verstehe (werde eh kein mech und feinabstimmungsprofi :grinning_face_with_smiling_eyes: )


    Also bei mir wurde die Umlenkung umgekehrt montiert und mein Mech meinte somit würde sie halt dann einfach etwas weicher. :huh:


    Also heisst das so grob zusammengefasst, dass harte Fahrwerke vorallem bei Supersportlern oder vorallem Rennbikes zum Zug kommt oder überall da wo man volle Kontrolle über schnelle Wechsel haben muss und es nicht für mehrere Stunden bequemes Fahren braucht. Sprich im Gegenteil werden Tourentöffs eher ein weiches Fahrwerk haben, da diese ja nicht wirklich im selben Ausmass heizen. Ist das richtig so? X/


    Boo, vergleichsweise weiches Fahrwerk da Einsteigermodell oder an was machst du das fest?


    Danke für eure Rückmeldungen :top:

    Riding - the rawest and purest of emotions

  • Ja in etwa so würd ich das auch einschätzen.


    Weiss nicht genau was die Umkehrung der Umlenkung bewirkt. Aber ich habe gerade in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass viele Mechs noch recht viel behaupten, besonders gegenüber den technisch nicht so versierten Leuten oder Anfängern, so hart das nunmal klingt, deshalb solltest du nicht einfach alles glauben was dir jemand erzählt, ohne deinem Mech jetzt zu nahe zu treten, vielleicht hat er ja auch recht mit seiner Aussage...


    Einsteigermodell jein. Die CB500 ist ganz einfach nicht dafür gemacht, sehr sportlich zu fahren, sondern eher als Alltagsmotorrad. Daher setzt man eher auf Komfort als auf Sportlichkeit. Ist bei allen 500er so die ich kenne, und auch bei vielen 600ern. Insbesondere bei günstigen "Einsteigermodellen", das ist schon so. Gute (ich meine gut in Bezug auf sportliches Fahren) Fahrwerke bekommt man meiner Erfahrung nach ab 600ccm bei sportlichen Nakeds, wobei es auch da noch nen deutlichen Sprung gibt zu einem Supersportler, dazwischen liegen dann noch sonstige Oberklassemotorräder wie die Triumph Tiger, BMW XR und Konsorte.

    Einer ist immer schneller - zum Beispiel ich :winking_face:
    Quod gratis asseritur, gratis negatur

    Einmal editiert, zuletzt von Boo ()

  • Ach okay! :grinning_face_with_smiling_eyes:


    Eine andere Frage, wenn man mit einem 2-Zylinder von ruppig spricht und ein 4-Zylinder im Vergleich weich läuft, was genau ist damit gmeint?

    Riding - the rawest and purest of emotions

  • Damit meint man das Ansprechverhalten des Motors, also das stärker ausgeprägte Nicken des Motorrads von vorne nach hinten bzw. umgekehrt beim Gas anlegen bzw. schliessen, zudem die oft nicht so lineare und "frühe" Leistungsentfaltung des 2-Zylinders.


    Mach mal eine Vergleichsfahrt, dann merkst du das sofort :winking_face:

    Einer ist immer schneller - zum Beispiel ich :winking_face:
    Quod gratis asseritur, gratis negatur

  • Ich kann mir's in etwa vorstellen :grinning_face_with_smiling_eyes:


    Eine Vergleichsfahrt kommt dann wenn ich erstmal mit meiner gut klarkomm :grinning_squinting_face: vorallem auch im Hinblick dann auf das Kat. A Permis :grinning_squinting_face:

    Riding - the rawest and purest of emotions

  • @Boo : Läck hammermässig erklärt! Hattest neulich schonmal ein Fachthema top erklärt, weiss aber grad nicht mehr welches das war. :top:
    Solche Posts sind toll zu lesen und müssten eigentlich im Wiki oder sonst einem Knowhow-Thread gesammelt werden. (SuFu in allen Ehren...)


    Edit: Dieser Post wars. Ok, Video ist nicht von dir aber passt perfekt dazu.

    Ich Töff das.

    Einmal editiert, zuletzt von siri ()

  • Da kann ich Siri zu zustimmen, super erklärt Boo! :top:


    @Dami Da meine MT vor einigen Wochen im Service war, durfte ich die neue CB500 fahren, war sogar die selbe Farbe, wie deine... Da konnte ich einen sehr guten Vergleich zwischen MT-07 (25kW) und CB 500 machen, dabei ist mir aufgefallen, dass die Honda sich viel sanfter fahren lässt. Die Lastwechsel (Gas weg und wieder ans Gas) sind bei der CB 500 um einiges geschmeidiger und auch die Gangwechsel fühlen sich geschmeidiger an.


    Beim Motor (sind ja beides parallel 2-Zylinder) fiel mir auf: Die CB lässt sich auch bei sehr tiefen Drehzahlen sehr vibrationsarm fahren und hat über das gesamte Drehzahlband weniger Vibrationen. Dafür hat die MT bei tiefen Drehzahlen mehr Kraft, die CB zieht erst richtig ab 6'000 U/min.


    Beim Fahrwerk hatte ich das Gefühl, dass die CB sogar etwas straffer abgestimmt ist als meine MT, dies hat mir etwas besser gefallen an der CB, da man wie von Boo schon geschrieben mehr Feedback hat, was unter einem passiert.

    Pferdestärken sagen aus, wie schnell du gegen eine Wand fährst... Drehmoment, wie weit du die Wand verschiebst...



    BMW R 1200 GS Rallye

  • @Boo ich kann den anderen zustimmen. Sogar ich hab das Zeug verstanden :grinning_squinting_face:


    @JimBim95 das klingt interessant! Welche fandest du gesamthaft denn besser? Ich habe leider noch keine Vergleichsfahrten mit irgendwelchen anderen Maschinen aber das wäre schon mal spannend zu sehen. Vor allem wenn ich dann die Grösseren auch fahren darf, bin ich aber mal richtig gespannt wie das wird.


    Beim Fahrwerk hätte ich bei meiner CB eigentlich gedacht dass sie sehr direkt ist und man sehr gut bspw Bodenwellen oder so Zeug merkt (aber hab halt keine Referenz) aber vielleicht fühlt sich das am Anfang bei jedem Motorrad so an wenn kein Vergleich da ist.

    Riding - the rawest and purest of emotions

  • Weiss nicht genau was die Umkehrung der Umlenkung bewirkt. Aber ich habe gerade in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass viele Mechs noch recht viel behaupten, besonders gegenüber den technisch nicht so versierten Leuten oder Anfängern.

    Hab den Teil grad erst gesehen. Ich weiss dass man sowieso nie hingehen darf und offensichtlich zeigen wie wenig Ahnung man hat bzw. dann blauäugig einfach alles annehmen was gesagt wird, da sehen viele das grosse Geld. Da mein Freund aber schon ziemlich nen Moment bei ihm ist und technisch eigentlich versiert, vertrau ich irgendwie auch darauf. Sprech so Dinge immer lieber vorher mit Leuten ab, denen ich wirklich zu vertrauen weiss und wenns ok ists dann auch mein ok für den Mech. Wobei besagter Mech eigentlich Geschäftsleiter ist und selbst aber noch als Mech tätig.


    Zudem ist die Maschine wirklich tiefer, er hat nix für verlangt. Wäre er auf was aus gewesen, hätte er bestimmt versucht mir so ein Kit oder so was anzudrehen.


    :grinning_squinting_face: ich merk grad dass ich ziemliches Vertrauen hab, aber kritisch bleiben ist immer besser, danke :top:

    Riding - the rawest and purest of emotions

  • Ja, Boo hat die Fähigkeit, in relativ kurzen Sätzen etwas klar verständlich rüberbringen zu können.... deshalb bieten wir ihm Jahr für Jahr den SuperMod an, er will aber einfach nicht.... :grinning_squinting_face:


    Nun noch ein Beispiel aus meinem oldschool-Fahrzeugpark, die Jahre mit der FZ 750, welche die Motorrad-Fangemeinde damals mit einem 5-Ventil-Motor überraschte und kurzfristig der Überflieger in den 80ern war :face_with_tongue:
    Nachteil damals wie heute: Die Federung der Gabel war relativ weich und konnte beim harten Anbremsen auf Bock gehen! War die Federung vor einer Kurve - weil einfach zu schnell, zu beherzt angefahren oder vom Kurvenverlauf überrascht - auf Bock oder anders und laienhaft gesagt auf Anschlag, konnten Unebenheiten nicht mehr ausgebügelt werden und das Vorderrad verlor kurzfristig den Kontakt zum Asphalt, übersprang einfach einige cm....
    Wusste man darum und kannte sein Bike, wurde einen Tick früher angebremst und wieder gelöst, damit die Kurve MIT Kontakt zur Fahrbahn genommen werden konnte. Denn in einer Kurve den Kontakt zu verlieren, wäre dümmer gewesen... geradeaus hüpft das Vorderrad einfach etwas.... (klingt doch spannend und nach Arbeit... haha). Wohlgemerkt: Dies geschah ganz selten und nur beim wirklich beherzten Fahren... war uns ist ein Klasse-Bike. Hätte ich sie behalten, wären neue Wilbers-Gabelfedern eingebaut worden und das kleine Manko wäre behoben gewesen :grinning_squinting_face:
    Hier mal ein Film aus dem Jahre 2013 (Susten-Pass, welchen jeder kennt). Die Cam war so montiert, dass die 'Gabel-Arbeit' schön zu sehen ist. Bei jedem Schaltvorgang, Gasgeben oder Bremsen, knickte sie deutlich ein oder federte aus....
    Dies als Ergänzung zur Boo's erstklassigem Beitrag :top:


    https://www.youtube.com/watch?v=p329L3R92qk

    Der Kern eines guten Motorrades liegt in der Technik, NICHT in der Optik :grinning_squinting_face:

    Schleichfahrt ist ein Betriebszustand von getauchten militärischen U-Booten


    [font='Times New Roman, Times, Georgia, serif']

    https://www.youtube.com/user/katpava/videos

  • Eric-58! Klingt ebenfalls sehr interessant :winking_face: Das wird aber mit den heutigen Motorrädern aber nicht mehr so sein und dafür muss man wirklich ziemlich heizen, richtig? :winking_face:


    Ich denke, so richtig versteh ich die Thematik eh erst wenn ich dann auf nem grossen hock :smiling_face_with_horns:


    Danke dass ihr solche Greenhorns wie mich ernst nehmt :top:

    Riding - the rawest and purest of emotions

  • Dami, das letzte mir grad bekannte Modell, wo die Gabel als zu lasch beanstandet wurde, war und ist die Suzuki SV650.... die kann auch auf Bock gehen.
    Bei den Strassenmotorrädern wird das heut eher passend sein und nur noch in Ausnahmesituationen geschehen.... bei schwer beladenen Reiseenduros ev noch eher.
    Aber bin für die oldschool-Fraktion zuständig, kenne mich mit der Moderne zu wenig gut aus :grinning_squinting_face:
    Der Schotteresel, welchen ich mir zulegen will, bekommt jedenfalls neue Gabelfedern, weil orig extrem weich :grinning_face_with_smiling_eyes:

    Der Kern eines guten Motorrades liegt in der Technik, NICHT in der Optik :grinning_squinting_face:

    Schleichfahrt ist ein Betriebszustand von getauchten militärischen U-Booten


    [font='Times New Roman, Times, Georgia, serif']

    https://www.youtube.com/user/katpava/videos